Freitag, 18. März 2011

Teil 99

Später sitzt Jon neben mir auf dem Sofa, hat sein Telefon immer noch am Ohr und hört gespannt zu. Immer wieder kommen einsilbige Antworten, aus denen ich leider nicht raushören kann um was es geht.

Dann nimmt er das Telefon von Ohr, schaut auf das Display und sagt zu dem Anrufer „I call you back“ legt auf und hebt wieder ab.

„What?“ ist das einzige was er sagt. Dann steht er auf und geht im Wohnzimmer und im Flur auf und ab. Hört zu und spricht so schnell in das Telefon, dass ich kaum ein Wort verstehe. Einzig ein Wort höre ich aus dem Kuddelmuddel heraus „Doro“!

Ich kann es nicht fassen. Sie ruft ihn an, während er hier in Deutschland ist. Weiß sie es? Weiß sie dass er hier bei mir ist?

Ich versuche mehr zu verstehen, aber Jon hat seine Wanderung aufgegeben und telefoniert im Schlafzimmer weiter.

Mit wirren Gedanken sitze ich auf dem Sofa und grübele vor mich hin. Was will sie? Was sagt Jon zu ihr wo er ist? Was ist passiert? Er sah plötzlich richtig weiß aus im Gesicht. Beschimpft sie ihn wieder? Hat sie eine Ahnung, dass er bei mir ist?
Gedanken über Gedanken und die lassen mir keine Ruhe.

Nach einer Ewigkeit kommt Jon zurück.
„It’s OK Hun, she doesn’t know where I am“ beruhigt er mich und nimmt mich in den Arm.

„Was ist passiert?“

„Nichts wichtiges, aber sie meinte sie müsste mir mitteilen, dass wir, das heißt sie und ich eine Einladung zur Michael J. Fox Parkinson's Foundation Benefit Party erhalten hatten und ich da nicht erschienen bin, weil ich mich ja aus dem Staub gemacht habe, ohne ein Wort zu sagen wohin. Da ergab ein Wort das andere und wir sind wieder beim streiten angelangt. So sieht es im Moment aus. Ich kann es ihr nicht Recht machen. Aber ich habe Steve, meinen Anwalt angerufen und ihn gebeten in meinem Namen einen Scheck zu schicken. Michael rufe ich an und entschuldige mich bei ihm wenn ich wieder zu Hause bin.“

Ich schaue Jon sprachlos an. Hoffentlich muss er jetzt nicht nach Hause fliegen.
“Musst du jetzt wieder nach Hause?”

“Nein, ich habe das alles ja schon telefonisch erledigt. So schnell wirst du mich nicht los. Ich bin ja erst angekommen” grinst er.

“Aber warum macht dir Doro dann wieder eine Szene? Sie muss dir doch keine Vorwürfe machen, sie hat dich doch raus geworfen und wie sollst du dann an deine Post kommen? Sie hätte dir ja auch bescheid geben können, dass eine Einladung ins Haus geflattert ist” frage ich nach.

“Ja das hätte sie können, aber da sie momentan nicht wirklich mit mir spricht und mich lieber ignoriert, hat sie es noch nicht einmal für nötig gehalten mir die Einladung auszuhändigen. Allerdings hätte diese Einladung schon länger im Briefkasten sein müssen. Ich vermute eher, sie hat es selber vergessen und schiebt mir jetzt den schwarzen Peter zu” brummelt Jon.
“Ich konnte ihr davor schon nichts Recht machen und jetzt ist es noch viel schwieriger, da ich ja mein eigenes Haus nicht betreten darf. Sie hat den Code für das Tor geändert, das heißt ich kann nicht mal in mein eigenes Studio. Wenn ich mich vorher nicht anmelde kann ich mein eigenes Anwesen nicht betreten.”

“So schlimm ist sie? Aber es ist doch deins und es sind auch deine Kinder, wieso lässt sie dich dann so außen vor?”

“Tja das ist das angebliche Recht einer betrogenen Ehefrau. Sie kämpft mit allen Mitteln und zieht alle Register, damit wir Männer merken, was für Schweine wir sind und was wir alles verloren haben” sagt Jon wütend.

Jetzt bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Immerhin bin ich ja auch mit Schuld an dem ganzen Schlamassel.
“Es tut mir leid” sage ich leise.

“Wieso tut dir das leid? Du kannst ja nichts dafür!”

“Doch, wären wir zwei in München nicht in dein Zimmer und hätten wir nicht miteinander geschlafen, wäre das nie soweit gekommen. Du wärst immer noch glücklich mit Doro und es wäre nicht so ausgeartet” sage ich trotzig.

“Das hat doch gar nichts damit zu tun. Es hätte ja auch eine einmalige Sache sein können, oder ich hätte dich abgewiesen und ich hätte auch dir Türe nicht aufmachen müssen” widerspricht mir Jon. “Bedauerst du etwa was mit uns passiert ist?”

“Nein ich bedauere es nicht, dafür liebe ich dich viel zu sehr, aber dass wir so unvorsichtig gewesen sind und wir erwischt worden sind, das bedauere ich” sage ich mit fester Stimme. “Doro hätte nichts zu erfahren brauchen und du hättest immer noch deine Frau, deine Kinder und dein Haus und keine Probleme in deiner Ehe.”

“Ach du denkst, erst durch dich sind die Probleme aufgetaucht? No Honey, glaube mir, die Probleme gab es schon vorher, sonst hättest du mich in keinster weise interessiert. Da hättest du oder jede andere nackt vor mir auftauchen können und ich hätte mich nicht verliebt. Klar geschieht es auf Tour, das man eventuell einen One-Night-Stand hat, aber man entwickelt keine großartigen Gefühle. Nur wenn in einer Ehe was nicht stimmt, gewinnt jemand anderer dein Herz. Glaub mir, ich habe jahrelange Erfahrung und weiß wovon ich rede” erklärt Jon und zieht mich in seine Arme.
“Glaube nicht, dass ich das mit dir alles ungeschehen machen will. Ich will dich und darum bin ich ja auch hier. Du kannst nichts für die Probleme in meiner Ehe und bist auch nicht daran Schuld. Das hat alles schon vorher existiert.”


Jon streicht mir beruhigend über den Rücken.
“Ich werde bestimmt nicht so lange hier bleiben können, wie ich das vor hatte, aber wir werden die Zeit einfach genießen. Außerdem haben wir ja geplant dass wir uns vor Weihnachten in London treffen” sagt Jon Augenzwinkernd zu mir.

“Ok dann genießen wir die Zeit und freuen uns auf London” grinse ich ihn an. “Aber hoffentlich ruft Doro nicht die ganze Zeit an. Nicht das du die ganze Zeit schlechte Laune hast” foppe ich ihn.

“Ich habe keine schlechte Laune, und wenn dann wirst du das merken. Aber ich versichere dir, solltest du der Grund sein, dann sage ich dir das” grinst er zurück.

Wir kuscheln uns wieder aufs Sofa und ich lasse mich von Jons küssen in eine andere Welt versetzten. Ich finde es herrlich, dass Jon genauso gerne küsst wie ich und er hat sich sogar soweit im Griff, dass es nur beim küssen bleibt.



Nach einem gemütlichen Nachmittag, holt mich mein Telefon vom Sofa. Es klingelt und ich schäle mich aus Jons gemütlicher Umarmung und gehe ran.
“Ja?” brumme ich, ohne mich großartig zu melden.

“Hey! Was ist los?” ertönt Silkes Stimme.

“Nix, fauler Tag auf dem Sofa, nach stundenlangem Warten beim Doktor”, lautet meine Antwort.

“Na das ist deine Schuld, wenn du meinst krank machen zu müssen” lacht sie in den Hörer.

“Ach hör auf, heute ist anscheinend jeder krank. Ich hab ewig gewartet um dann in fünf Minuten die Krankmeldung zu haben. Typisch Deutschland, würde ich mal sagen. Und? Was gibts?”

“Soll ich zu dir oder wollt ihr zu mir kommen? Ich könnte was kochen” kommt ihr Vorschlag.

“Moment ich frage Jon” sage ich und stelle ihm die Frage.
Seine Antwort ist kurz und bündig.
“Wir kommen zu dir, Jon möchte gerne deine Wohnung sehen und er braucht auch noch mal Bewegung.”

“Aha... Bewegung....hatte er das heute noch nicht?”

Ich sehe Silke förmlich grinsend vor mir.
“Ohhh was du schon wieder denkst.... doch hatten wir, auch nachdem du mich so unsanft aus dem Tiefschlaf gezogen hast” lautet meine trockene Antwort.

“Na dachte Ichs mir doch... ihr könnt ja immer noch nicht die Finger voneinander lassen” lacht sie.

“Was denkst du denn?? Ist das bei dir und Richie anders?? Ich glaube nicht” foppe ich sie.

“Stimmt du hast recht, allerdings haben wir da ein kleines Handicap in Form meines Bauches.... aber ansonsten kann ich mich nicht beklagen!”



Eine Stunde später stehen wir vor Silkes Haustüre. Freudestrahlend öffnet sie die Türe und umarmt erst mich dann Jon.

Der drückt sie sanft an sich und küsst sie auf die Wange.
“Na Sweetheart wie gehts der werdenden Mutter?”

“Danke gut, außer das der Wurm hier drin mich vom schlafen abhält. Schön das du den Weg hier her gefunden hast” sagt sie fröhlich.

“Dank deiner perfekten Beschreibung und dem Navi ging es ganz einfach. Danke dass du so gut auf Tanja aufgepasst hast.”

“Kein Problem, sie würde das selbe für mich auch machen” spielt sie ihre Hilfe von Samstag herunter.

Silke führt Jon durch ihre Wohnung und Jon bleibt vor ein paar Bildern, die sie an die Wand gehängt hat, stehen.
“Deine Familie?” fragt Jon.

“Ja” antwortet sie und erklärt, wer wer ist. Ihre Geschwister, ihre Eltern, ihre Neffen und ein paar Bilder von sich selbst mit ihren Freunden.
Darunter auch ein Bild mit mir.

„Wer ist denn das?“ fragt Jon Silke verwundert.

Silke grinst, „das ist deine Tanja“.

„Was? Das hätte ich jetzt nicht gedacht.“

Ich weiß genau welches Bild Jon sich ansieht. Ich vor etlichen Jahren mit langen dunkelrot gefärbten Haaren, ohne Brille.

„Da bist du aber noch sehr jung, oder?“ lacht Jon.

„Ja das bin ich, ist ungefähr 10 Jahre her. Da haben Silke und ich uns gerade erst kennen gelernt. Das war auf einem Rummelplatz. In diesem Jahr waren wir auch zusammen das erste Mal auf einem Bon Jovi Konzert“, sage ich schmunzelnd.

Ich verziehe mich in die Küche und suche was zu trinken. Außer Wasser, Kaffee und Säfte hat sie nicht viel da…. Doch ganz hinten… MILCH…. Ihhhhh das kann sie alleine trinken.

Außerdem entdecke ich Hähnchenbrust und frisches Gemüse.
„Silke???“ rufe ich aus der Küche. „Soll ich schon zu kochen anfangen?“

„Wenn du willst?“ kommt ihre Antwort in derselben Lautstärke zurück.


Gesagt getan. Ich fange an das Gemüse in Scheiben zu schneiden und am Schluss die Hähnchenbrust.
Ich setze Wasser auf für den Reis und fange an, alles anzubraten.

Irgendwann stehen die beiden bei mir in der Küche und schauen mir zu. Jon bekommt Wasser und Kaffee von Silke und sie trinkt eine Apfelschorle.

Nach einer halben Stunde sitzen wir gemütlich in Silkes warmer Küche, essen, trinken und reden.

Silke erzählt Jon von ihrem letzten Arztbesuch und zeigt ihm die neusten Ultraschallbilder. Sie fragt ihn auch nach einem Arzt in Amerika.

„Naja ich kenne nur den Arzt bei dem auch Doro ist, aber du kannst ja Richie oder Dave fragen, vielleicht wissen die von ihren Frauen auch ein paar andere Ärzte. Wenn nicht, dann findet sich da schon was“, beruhigt er sie.

Jon und ich machen kurze Zeit später zusammen den Abwasch und Silke sitzt mit einer Tasse warmer Milch am Tisch und schaut uns zu.

Als das Telefon klingelt telefoniert sie genüsslich mit Richie und erzählt ihm, was sein Leadsänger so treibt.

Anhand ihrer Antworten kann ich mir bildlich vorstellen, dass Richie sich gerade ausschüttet vor lachen, als er von einer kichernden Silke erfährt, dass Jon am abwaschen ist. Jon schüttelt seine schaumigen Hände in Richtung Silke und diese schüttelt sich, als sie die schaumigen Tropfen treffen.


Dann ändert sich ihr Tonfall. Sie erzählt Richie von ihrem Tag. Jon deutet ihr an, dass er nachher auch noch mit ihm reden möchte. Jon und ich haben unsere Aufgabe erledigt und lassen Silke alleine in der Küche zurück.

Wir verziehen uns ins Wohnzimmer und Jon legt eine CD ein, die er in Silkes Fundus gefunden hat. Zusammengekuschelt sitzen wir schweigsam auf dem Sofa und lauschen der Musik.

Nach einer Weile kommt Silke ins Wohnzimmer und reicht Jon den Hörer. Dieser verzieht sich in die Küche und Silke bleibt bei mir.

„Na wie ist der Tag heute gewesen?“ fragt Silke während sie es sich auf der anderen Seite des Sofas gemütlich macht.

„Naja außer dass ich Ewigkeiten beim Doc gesessen bin und warten musste, war eigentlich alles in Ordnung. Jon was im Bauhaus und hat mir doch glatt ein neues Regal für meine Schuhe gekauft“ grinse ich sie an.

„Wie ein neues Regal? Was ist mit deinem Schuhschrank passiert?“

„Mein Schuhschrank hat den überraschenden Besuch von Jon nicht überlebt“ antworte ich mit einem knallroten Gesicht.

„Habt ihr den kaputt gemacht?“ Silke lacht herzhaft. „Los erzähl!“ fordert sie mich auf.


Ich umreiße kurz unsere leidenschaftliche Begegnung und schildere ihr ausführlich, wie wir am Schluss in den Trümmern meines Schuhschränkchens gelandet sind. Genauso die Begegnung mit meiner Nachbarin, die sich über den Lärm beschwert hatte.

Silke laufen die Tränen vor lauter Lachen über die Wangen und sie kann sich nur schwer beruhigen.

„Na das Gesicht von Frau Meyer hätte ich gerne sehen wollen. Die beschwert sich ja auch an deinen Geburtstagen, dass es zu laut wäre und wenn du Musik hörst, dann erst recht. Dabei bist du das gar nicht, sondern dein Nachbar neben dir. Wenn die nur wüsste wer Jon ist, dann würde ihr das aber sichtlich peinlich sein“ amüsiert Silke sich weiter.

Irgendwann kommt Jon wieder ins Wohnzimmer zurück und Silke blickt ihm nur ins Gesicht und fängt schon wieder an zu lachen.

„ Was ist denn hier so witzig?“ fragt Jon erstaunt.

Ich muss genauso lachen wie Silke und versuche Jon den Grund unseres Lachanfalls zu erklären. Nach ein paar Minuten hilflosem Gestammel haben wir beide Jon erklärt um was es geht.

Jon verdreht bloß die Augen und schüttelt den Kopf „Weiber“ murmelt er leise und setzt sich neben mich.

„Ich verstehe nicht, was es da zu lachen gibt!“ grummelt er vor sich hin.

Silke hat sich wieder soweit im Griff das sie antworten kann.
„Naja es ist schon etwas verwunderlich, wenn Frau sich überlegt, dass der Herr Rockgott sich dazu herab lässt und selber ein Regal aufbaut. Ich kann es mir nur sehr schwer vorstellen, ich denke eher, dass du zwei linke Hände hast und du sonst immer jemanden dafür hast, der dir das aufbaut“ grinst sie ihn vergnügt an.

„Haha, wenn ich will kann ich schon, aber wenn ich nicht muss dann mach ich das auch nicht.“
Irgendwie findet er das nicht witzig.

„Honey nicht böse sein, aber du musst schon zugeben, dass du den unbedarften Rockstar ziemlich gut spielen kannst und außerdem bist du schon ein bisschen eine kleine Diva. Es muss eigentlich immer nach deinem Kopf gehen und wenn nicht, dann setzt du dich dafür ein, dass es so passiert…..“ schlussfolgere ich.

Jon sieht mich erstaunt an.

„Na was glaubst du, was wir in den Internetforen so über dich erfahren? Kein Geheimnis von dir ist sicher“ grinse ich.

Jon sieht ein, dass er gegen zwei aufgedrehte Frauen keine Chance hat und gibt auf.

„Ihr nun wieder. Das hat man davon wenn man seiner Freundin was Gutes tun will“ murmelt er spaßeshalber.

Nach ein paar Minuten sind wir wieder in eine Unterhaltung vertieft.
Irgendwann sitzt Silke da und gähnt.

„Süße wir gehen jetzt“ sage ich mit einem Seitenblick auf die Uhr. „Werdende Mütter brauchen ihren Schönheitsschlaf“ ergänzt Jon, „und außerdem hat Richie gesagt, wir sollen dafür sorgen, dass du genügend Schlaf bekommst“ zwinkert Jon.

An der Haustüre drücke ich Silke meine Krankmeldung für die restliche Woche in die Hand und sie verspricht mir, sie persönlich bei Herrn K. abzugeben.