Sonntag, 14. Oktober 2007

Teil 64

„Aber du hast doch keine Brille und keine Mütze dabei.“
„Das ist mir egal. Ich werde dich doch noch rein bringen dürfen.“
Er schnappt sich meinen Koffer und geht voraus. Schulterzuckend begleite ich ihn. Nach ein paar Metern habe ich ihn eingeholt.
„Jon was soll das, du wirst noch erkannt.“
„Egal, ich will mich hier drinnen verabschieden und nicht heimlich im Auto.“
Er nimmt meine Hand und zusammen gehen wir zu meinem Flugschalter.
„Guten Tag, hier ist ein Ticket für Frau B. hinterlegt.“
„Einen Moment bitte. Ja hier ist es.“
Jon stellt meinen Koffer aufs Band und ich gebe der Dame meinen Ausweis. Mit meiner Bordkarte stehen wir uns gegenüber.
„Sie können in einer Stunde an Bord gehen. Ihr Flug wird dann aufgerufen“, teilt mir die Dame mit einem unverbindlichen lächeln mit.
Ihre Augen wandern aber gleich wieder zu Jon. Dann fragt sie ihn tatsächlich nach einem Autogramm.
„Sie bekommen ein Autogramm, wenn wir an einem ruhigeren Ort auf den Flug warten können“, sagt Jon zu der verblüfften Angestellten.
Er setzt sein unwiderstehliches Lächeln auf und bekommt wonach er verlangt. Ich bin baff. Sie führt uns in den Warteraum der ersten Klasse. Dieser ist fast komplett leer. Bis auf ein paar Schlipsträger, die mit ihrer Zeitung beschäftigt sind.
Jon zieht sein Handy aus der Tasche und ruft Mike an. Er teilt ihm mit, dass er in einer Stunde da ist. Wir setzen uns in eins der gemütlichen Sofas, die so geschickt platziert sind, dass man nicht sofort sehen kann, wer darin sitzt. Jon bettet mich auf seinem Schoß und legt seine Arme um mich. Er küsst mich verlangend bis uns ein Räuspern unterbricht.
„Möchten die Herrschaften etwas trinken?“, werden wir von dem Kellner gefragt.
Wir bestellen zwei Tassen Pfefferminztee. Nachdem er den Tee gebracht hat, verzieht er sich schleunigst wieder. Jon macht da weiter, wo wir unterbrochen wurden. Er küsst mich. Zwischendurch nippen wir an unserem Tee. Ich rutsche von seinem Schoß, lasse aber meine Beine über seinen liegen. Wir reden nicht viel, aber dafür küssen wir uns, sobald einer die Tasse wieder hingestellt hat.
Viel zu schnell wird mein Flug aufgerufen. Widerstrebend erheben wir uns. Jon legt einen Arm um mich und begleitet mich bis zum Flugzeug. Dort küsst er mich ein letztes Mal.
„Ich vermisse dich jetzt schon“, flüstere ich ihm zu und kann es nicht verhindern, dass mir die Tränen in die Augen steigen. Schnell gebe ich ihm einen letzten Kuss und gehe ohne zurückzublicken in den Flieger.
Jetzt sind die Schleusen geöffnet und ich kann gar nicht mehr aufhören. Schnell setze ich mich auf meinen Platz und hole eine Packung Taschentücher und meinen MP3-Player raus. Mit Jons Stimme im Ohr und blind vor Tränen starre ich aus dem Fenster. Die Stewardess kommt vorbei und fragt mich ob alles in Ordnung sei und ob ich was zu trinken möchte. Ich bestelle mir noch einen Pfefferminztee.

Nach der Landung schnappe ich mir meinen Koffer uns renne förmlich aus dem Flughafengebäude zu meinem Auto und mache mich auf den Weg nach Hause.
Als ich endlich in meiner Wohnung ankommen bin, schmeiße ich alles in den Flur und lege mich komplett angezogen aufs Bett und heule weiter. Ich hatte mich so darauf gefreut. Und jetzt muss ich meinen Platz für Doro räumen.
Irgendwann wache ich auf. Meine Augen brennen. Ich bin mit Kontaktlinsen eingeschlafen. Ich schnappe mit mein Beautycase und gehe ins Bad. Mit Brille ist es eindeutig besser.
Ich sehe echt scheiße aus. Ich packe meine Sachen aus und stelle fest, dass mein CK One fehlt. Sag bloß, das habe ich in Holland gelassen. Scheiße, aber Jon wird es hoffentlich wegpacken. Im Schlafzimmer öffne ich meinen Koffer. Oben drauf liegt ein schwarzer Rolli und ein Brief. Ich nehme den Brief und den Pulli und setzte mich aufs Bett.


Hallo Honey,

wundere dich nicht über den Pulli. Das ist meiner.
Ich dachte, ich gebe Dir ein Stück von mir mit.
Etwas das dich an mich erinnert. Du kannst ihn gerne anziehen.
Du wirst vielleicht ein paar Sachen von Dir vermissen. Ich habe dein Bon Jovi – Schlaf-T-Shirt und dein Parfum hier behalten. Ich werde dein Shirt so oft wie möglich anziehen. Tico hat ja auch eins davon. Was macht es da schon, wenn ich auch so eins anhabe. Du hast es zwar nicht angehabt, aber ich ziehe es gleich morgen an. Hauptsache es ist von Dir.
Bis wir uns wieder sehen, werde ich kein anderes Parfum benützen.
SO habe ich deinen Geruch immer um mich.
Mein lieber Schatz sei nicht traurig. Ich denke jeden Tag an Dich und vermisse Dich ganz furchtbar. Wir sehen uns bald wieder.

In Liebe Jon



Jetzt laufen mit die Tränen wieder über das Gesicht. Er ist so lieb.
Ich suche mein Handy und schalte es ein. Ich habe eine Textnachricht über einen entgangenen Anruf. Schnell höre ich meine Mailbox ab.
Jon hat angerufen und wollte wissen, ob ich gut zu Hause angekommen bin. Ich soll ihm auf jeden fall eine SMS schicken, damit er Bescheid weiß. Schnell tippe ich ihm eine Nachricht in der steht, dass ich gut angekommen bin, ihn vermisse und mich für den Brief und den Pulli bedanke. Ich schicke ihm tausend Küsse.
Ich vergrabe meine Nase in dem Pulli. Der riecht nach Jon. Ich glaube, das ist der, den er gestern Abend an hatte. Nach einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass es kurz vor Mitternacht ist. Ich bin am überlegen, ob ich morgen zum arbeiten gehen soll.
Ok ich gehe arbeiten und hebe mir die Überstunden für nächsten Monat auf.
Ich suche mir eins von Jons T-Shirts und lege mich schlafen. Der Wecker ist auch gestellt. Mitten in der Nacht klingelt mein Handy.
„Hallo Darling“ flüstert mir Jon entgegen. „Ich weiß, ich wecke dich, aber ich musste dich einfach anrufen.“
„Jon was ist los. Ist was passiert?“
„Nein es ist alles in Ordnung, ich wollte nur deine Stimme hören.“
Er ist grad mit den anderen in der Hotelbar und hat sich auf die Toilette verzogen. Dort kann er wenigstens ungestört telefonieren. Seine Frau lässt ihn keine Sekunde aus den Augen.
Richie und Silke haben sich auch am frühen Abend verzogen. Die sind alleine Essen gegangen. Jon ist mit Doro und den anderen beim essen gewesen. Wir unterhalten uns noch ein paar Minuten und legen dann auf.
Ich schlafe gleich wieder ein, und werde erst durch meinen Wecker geweckt. Schlaftrunken begebe ich mich unter die Dusche. Nach einer halben Stunde bin ich fertig angezogen und gerichtet und trinke meinen Kaffee. Zu Jons Pulli habe ich mich für meinen Lederrock und meine hohen Stiefel entschieden.
Wenn ich schon nicht bei Jon bin, dann ziehe ich wenigsten die Klamotten an, die ihm so gut gefallen. Ich habe nicht oft einen Rock an, besonders nicht im Geschäft. Die werden Augen machen, immerhin bin ich ja auch schon einen Tag früher wieder da und dann mein ungewohntes Outfit.
Mit meiner Kaffeetasse gehe ich auf die Terrasse eine rauchen. Oh Mann ist das hier ein Mistwetter. Es nieselt und ist kalt. Ich suche nach meinem kurzen Mantel. Zum Glück passt der so einigermaßen dazu.

Pünktlich um acht sitze ich an meinem Schreibtisch. Mein Chef kommt ein paar Minuten später. Er sieht mich erstaunt an und fragt warum ich denn nicht im Urlaub sei. Ich frage, ob ich mich kurz mit ihm unterhalten kann. Zusammen gehen wir in sein Büro.
Dort frage ich nach meinem Urlaub im November.
„Ich brauche vom 11.11. – 19.11. Urlaub.“
Er schaut in den Urlaubsplaner. „Sie brauchen da also Urlaub. Weiter haben sie Urlaub eingetragen vom 03.12. – 5.12. und vom 22.12. – 05.01 04. Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Das sind weitere 18 Tage Urlaub. Sie haben gerade mal noch sieben Tage.“
„Ich mache Überstunden um mir so die fehlenden Tage zu sichern.“
„So geht das aber nicht. Sie haben dieses Jahr schon sehr viel Urlaub gehabt. Sicher sie haben viele Überstunden, aber sie können doch nicht jeden Monat ein bis zwei Wochen Urlaub machen.“
„Herr Kienlen, ich brauche diese Urlaube. Das ist die einzige Möglichkeit, dass ich meinen Freund zu Gesicht bekomme. Wie sie bestimmt schon mitbekommen haben, ist er Amerikaner und ist nicht immer hier. Das heißt, wenn sich die Möglichkeit bietet, werde ich zu ihm fliegen. Sie wissen ja, dass Frau D. auch mit einem Amerikaner zusammen ist. Wir werden meistens zusammen Urlaub haben.“
„Ja das Thema habe ich schon mit Frau D. durchgekaut. Bei ihr ist es fast egal. Immerhin geht sie Mitte Januar in den Mutterschutz. Bei Ihr liegt das Ganze ein bisschen anders. Bei ihr drücken wir ein Auge zu, da Sie in früheren Zeiten immer mit dem Chef auf Geschäftsreise war. Sie klärt ihren Urlaub direkt mit dem Chef.“
„Ach und ich bekomme keinen Urlaub? Dann kann ich ja gleich unbezahlten Urlaub nehmen und auf die Überstunden verzichten.“
Beleidigt gehe ich aus seinem Büro, ohne ihn noch einmal anzuschauen. Ich sitze an meinem PC und hacke auf die Tastatur ein. Meine Kollegin, die mir gegenüber sitzt, sieht mich mitleidig an. „Du bekommst deinen Urlaub nicht, oder?“
„Nee dieses A… sagt, ich habe nur noch acht Tage. Und ich kann doch nicht jeden Monat ein bis zwei Wochen Urlaub machen. Aber was soll ich machen, sonst sehe ich ihn doch gar nicht. Ich musste ja jetzt schon früher Heim, weil was dazwischen gekommen ist.“
„Wenn es gehen würde, würde ich dir ein paar Tage abgeben. Aber das ist ja nicht möglich.“
„Danke für das Angebot“ ich lächle sie schräg an. „Ich kann nächsten Monat nach Amerika. Da sehe ich ihn wieder. Und was macht der? Der lässt mich nicht.“

Mit einem bösen Blick schaue ich auf die geschlossene Bürotüre meines Chefs. Als gegen später ein Lehrling vorbei kommt und nach unseren Wünschen fürs Vesper fragt, will ich nichts haben. Mir ist der Appetit vergangen. Ich hole mir meine dritte Tasse Kaffee und arbeite still vor mich hin. In meinem Kopf reift ein Wunsch und eine Idee. Ich muss das heut Abend vielleicht mit Silke besprechen.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hach ist das schön.. aber auch schön traurig. Was für ein blöder Vorgesetzter... *grummel*
Aber deine FF ist immer noch toll :)
Gruß
knuddel
Nadine

Anonym hat gesagt…

Och menno, wie traurig.....Aber auch sooooo lustig. Du hast Jon´s Männlichkeit verteidigt?? Ich schmeiss mich weg vor lachen. Der Teil war sooo genial. :-D

Der Chef ist ja wirklich ein Ekelpaket. Der muss doch mal ein bißchen Verständnis haben. Mistbock alter.

*gucktganzliebweilnichtlangeaufFortsetzungwartenwill*

Knuddel
Catrin

Anonym hat gesagt…

Danke, ich hab schon sehr auf die neue Folgen gewartet. Sehr traurig, dass der Boss kein Urlaub gegeben hat, aber ich bin mir sicher, dass sie nach USA fliegen wird:)
Bitte schnell die Fortsetzung:)

LG
Krisz

Anonym hat gesagt…

Hallo!
Ich hab diese FF gestern mittag entdeckt und konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen! Suuuper gut geschrieben! Ich konnte es kaum erwarten heute vom Arbeiten nach Hause zu kommen um weiter zu lesen.

Hoffentlich geht es bald weiter!

Anonym hat gesagt…

Seh ich auch so