Mittwoch, 30. Mai 2007

Teil 22

Um kurz nach zehn am nächsten morgen erscheine ich beim frühstücken, es ist gar nicht mehr viel los. So wie es aussieht ist Silke noch nicht da. Ich suche mir einen gemütlichen Platz im hinteren Teil der Terrasse. Ich lege meine Zigaretten und mein Buch auf den Tisch und hole mir was zu essen und einen Kaffee. Irgendwie bin ich heute noch nicht fit. Ich habe die ganze Nacht von Jon geträumt. Mit einem Joghurt, verschiedenen Früchte und einem Croissant bewaffnet kehre ich zurück. Während dem lesen nippe ich an meiner Tasse und löffle meinen Joghurt. Ich bin ganz vertieft und bekomme nichts mit. Ich greife blind nach meiner Tasse und sie ist nicht mehr da. Verdutzt schaue ich nach ihr. Hätte ich mir ja denken können, Jon sitzt mir gegenüber und trinkt meinen Kaffee.
„Hey !“
„Hi Honey, wie ist dein Buch?“
„Gut, was machst Du denn hier?“
„Ich komme gerade vom joggen und ich habe mir schon fast gedacht, das ich dich hier finde“, grinst er mich an.
„Ich bin halt ein kleiner Bücherwurm. Wenn ich lese bekomme ich nichts mit. Entschuldigung.“
„Macht gar nichts ich schaue dich gerne an“, gibt er zurück und grinst mich ganz lieb an.
„Wann geht euer Flug?“
„Um halb vier, warum? Der Fahrer holt uns um ein Uhr ab und fährt uns zum Flughafen.“
„Richie und ich kommen mit.“
„Wie ihr kommt mit? Zum Flughafen? Aber da erkennt euch doch jeder?“
„Wir werden uns tarnen. Wir sind schon im Auto wenn ihr kommt. OK? Bis später.“
„Ja OK, bis nachher“, gebe ich verwundert zurück.

Meine Tasse ist leer und Jon ist weg. Ich stehe auf und hole mir eine weitere Tasse. Kaum habe ich mich gesetzt kommt Silke dazu. Nachdem sie sich auch was geholt hat, erzähle ich ihr, was Jon gerade gesagt hat. Sie weiß es aber schon. Richie war grad auf ihrem Zimmer und hat es ihr gesagt. Nach dem essen, gehen wir auf unsere Zimmer zum packen.

Pünktlich um eins stehen wir vor dem Hotel. Die Limousine wartet schon. Der Fahrer lädt unser Gepäck ein, in der Zeit hüpfen wir rein. Jon und Richie haben sich falsche Bärte angeklebt und grinsen uns entgegen. Wir fangen herzhaft an zu lachen und liegen in ihren Armen. Auf der Fahrt zum Hotel werden wir von den beiden über unsere Pläne bis zum nächsten Wiedersehen ausgefragt. Da bis zum Tourende noch über anderthalb Monate vergehen, haben wir ja nicht viel zu tun als arbeiten und warten. Wehmütig und traurig schmiege ich mich an Jon. Als wir am Flughafen ankommen, steigen die beiden mit aus. Sie setzen noch ihre Baseballkappen aus und begleiten uns zur Gepäckaufgabe. Da wir noch zwei Stunden Zeit haben, gehen wir in ein kleines Kaffee und setzen uns. Nach ein paar Minuten schauen sich Jon und Richie an und jeder der zieht ein Umschlag heraus, der an uns weitergereicht wird. Aufgeregt öffnen Silke und ich unsere Umschläge. Ich kann meinen Augen kaum trauen. Darin liegt ein Flugticket. Hin du zurück nach New York. Abflug ist am 05. August. „Hiermit seit ihr herzlich eingeladen, die letzten beiden Konzerte im Giants anzuschauen.“ Wir fangen an zu jubeln und fallen unseren Lieblingen um den Hals. Jon sagt zu uns, das sie sich über die Unterkunft kümmern werden. Sie werden uns Mike zum Flughafen schicken, der uns dann zu ihnen bringt. Ungläubig schaue ich in Jons Augen. Giants. Amerika. New York.
“Aber da sind doch eure Familien auch wieder dabei. Werdet ihr da Zeit für uns haben?“, frage ich Jon.
Er nimmt meine Hände, „für dich werde ich immer Zeit haben. Wir werden schon eine Lösung finden.“
Als es Zeit ist, begleiten sie uns zum einchecken. Auf einmal geht alles sehr schnell. Eine letzte Umarmung, ein letzer Kuss und schon sind wir drinnen. Wir winken ein aller letztes mal und weg sind wir. Im Flieger können wir es immer noch nicht fassen, das wir nach New York fliegen.

Zu Hause angekommen, schmeiße ich mich aufs Sofa und denke an Jon. Irgendwie muss die Zeit bis dahin schnell vorbei gehen. Sonst bin ich vor lauter Sehnsucht nach ihm gestorben. Mit langsamen Bewegungen packe ich meinen Koffer aus und werfe die Waschmaschine an. Vor lauter innerer Anspannung schalte ich den Fernseher ein und zappe durchs Programm. Aber es kommt nichts Gescheites. Ich lege eine Videokassette ein und schaue „An evening with Bon Jovi“. So abgelenkt fange ich an zu träumen und male mir aus, wie es in USA wird.
Am nächsten morgen geht’s wieder ins Geschäft. Immer wieder ertappe ich mich wie ich träumend aus dem Fenster starre oder geistesabwesend mit meinem Ring spiele. Den lege ich nie ab, aus Angst ihn zu verlieren. In der Mittagspause treffe ich mich mit Silke zum essen. Bei einem Salat erfahre ich, dass es ihr genauso geht. Am liebsten würden wir die Zeit nach vorne drehen und sofort in den Flieger nach Amerika steigen. Am Abend ruft Jon mich aus Amerika an. Er teilt mir mit das er für ein paar Tage mit seiner Familie weg fährt. Er versucht aber trotzdem mich anzurufen. Wir telefonieren eine halbe Stunde und verabschieden uns.

Ein paar Tage später entdecke ich im Internet Urlaubsbilder von Jon, Doro und den Kindern am Strand. Sie sehen so glücklich aus. Jon im Wasser, Jon mit Steph und Jesse in der Brandung beim spielen. Dorothea mit Jake beim kuscheln. Traurig denke ich an Jon. Bald sehen wir uns wieder. Mit der Zeit gewöhnen wir uns an die Situation und Routine schleicht sich ein. Wir erleben jeden Tag gleich, aufstehen, arbeite, Internet und ab und zu Abends telefonieren wir mit unseren Lieblingen. Am Wochenende suchen wir Abwechslung, indem wir von Freitag bis Sonntag unterwegs sind. Wir treffen uns mit Freunden und gehen wieder in Discos und Bars. Wir tanzen die halbe Nacht durch und fallen dann tot müde ins Bett.

Ende Juli klingelts an meiner Haustüre. Ich mache auf und Michel steht davor. Er sieht ziemlich fertig aus. Da ich ihm im Geschäft aus dem Weg gehe, haben wir uns immer nur von weitem gegrüßt. Er fragt mich, ob ich es mir überlegt habe und es noch einmal mit ihm probieren will. Er vermisst mich und will mich wieder zurück haben. Ich kann und will nicht zu ihm zurück. Ich liebe Jon und nicht ihn. Ich versuche ihm klar zu machen, dass es keinen Sinn hat und dass ich für den „anderen“ so starke Gefühle habe. Das Klingeln des Telefons unterbricht uns.

Silke. Ich soll sofort zu ihr kommen. Es ist was passiert. Das kann sie mir aber nicht am Telefon sagen. Ich soll schnell machen. Sie braucht mich. Mit einem „Ich muss sofort zu Silke“ befördere ich Michel vor die Tür. In Rekordzeit stehe ich bei ihr vor der Türe. Sie öffnet mir mit verweinten Augen und lässt mich rein. Lachend und weinen sitzt sie vor mir. Auf dem Tisch liegt ein Schwangerschaftstest, den sie mir mit einem zittrigen lächeln zeigt. SCHWANGER. „Du bist schwanger??? Von Richie??? Weiß er es schon???“ Falle ich mit meinen Fragen über sie her. Ich falle ihr um den Hals und beglückwünsche sie. Sie fängt wieder an zu weinen. Schluchzend sagt sie: „Ich weiß doch noch gar nicht wie ich es ihm sagen soll. Außerdem ist er schon Papa und wenn Heather davon erfährt ist es aus. Was soll ich bloß machen!“ Ich versuche sie zu trösten und aufzubauen. Ich frage sie, was sie glaubt wie Richie reagiert und wie er sich ihr gegenüber verhalten wird. Immer wieder sagt sie, sie weiß es nicht und sie hat Angst es ihm zu sagen. In einer Woche fliegen wir nach New York. Ich frage sie, ob sie schon einen Termin bei ihrem Frauenarzt hat. Sie verneint. Ich schlage ihr vor einen Termin zu machen und mit dem Ultraschallbild und dem Mutterpass zu Richie zu fahren.
Am nächsten morgen ruft sie beim Arzt an und erhält einen Termin am späten Nachmittag. Zum Glück arbeitet ihre Schwester bei der Ärztin und sie wird einfach dazwischen geschoben. Wir treffen uns abends bei ihr und sie zeigt mir strahlend das Ultraschallbild und sagt mir, dass das Baby voraussichtlich am 10.03.2004 zu Welt kommt. Langsam gewöhnt sie sich an den Gedanken schwanger zu sein. Immerhin hat sie es schon vorher versucht, aber es hat nie geklappt. Mit ihrem Exfreund wollte sie auch Kinder haben, aber trotz aller Versuche wurde sie nie schwanger. Ich frage sie, wann sie den Mutterpass bekommt. Am Montagabend soll sie vorbei kommen, da bekommt sie ihren Pass ausgehändigt. Das trifft sich gut, da wir am Mittwochvormittag in den Flieger steigen.
Morgen ist es soweit. Endlich sehen ich Jon wieder. Mein Schwager bringt uns am Dienstagmorgen nach Stuttgart zum Flughafen. Wir sind tierisch aufgeregt. Wir haben auf jeden fall mal fast zwei Wochen Urlaub. Und diese Zeit werden wir zur genüge auskosten. Da wir keine Ahnung haben, wann wir wieder zurückkommen, haben wir beschlossen, unseren Rückflugtermin per SMS oder per Email mitzuteilen, damit uns auch wieder jemand am Flughafen abholt.
Von Stuttgart aus fliegen wir nach London und von da nonstop weiter nach New York. Die größte Überraschung ist die, dass wir den Flug von London nach New York in der ersten Klasse hinter uns bringen dürfen. Da haben wir genügend Platz und können auch ein bisschen schlafen. Silke ist ganz aufgeregt und hat auch gleichzeitig Angst vor dem Gespräch mit Richie. Als wir 15 Stunden später auf den JFK in New York landen, sind wir geschafft. Trotz aller Versuche zu schlafen, hat es nicht wirklich hingehauen. Wir haben nur gedöst. Mit unserem Gepäck gehen wir nach draußen und suchen Mike. Zwischen den vielen Menschen ist er kaum auszumachen.

Er hält ein Schild mit unseren Namen hoch. Wir laufen auf ihn zu und werden mit einem breiten grinsen begrüßt. Er führt uns zu der wartenden Limousine. Auf dem Weg vom Flughafen zeigt uns Mike ein paar Sehenswürdigkeiten von New York. Er hat die Trennscheibe unten gelassen und unterhält sich mit uns. Mit großen Augen schaue ich mich um und kann gar nicht genug davon bekommen. Mike hält vor einem Hochhaus und lässt uns aussteigen. Er übergibt uns unser Gepäck und geht mit uns hinein. Er teilt dem Portier mit wer wir sind und der lässt uns im Aufzug in den fünfzehnten Stock fahren. Als sich die Aufzugstüren öffnen stehen wir in einem riesigen Apartment. Wir lassen die Koffer am Eingang stehen und schauen uns staunend um. Das ist kein Hotel. Das ist eine Privatwohnung. Auf dem Tisch im Wohnzimmer steht ein riesiger Blumenstrauß und ein Früchtekorb. Davor liegen zwei Briefumschläge mit unseren Namen drauf. Ich öffne meinen Umschlag:

Hallo Sweetheart

Fühle dich wie zu Hause. Schaue Dir alles an.
Ich werde gegen 18 Uhr da sein.
Im oberen Stockwerk ist ein Schlafzimmer,
da kannst Du dich häuslich einrichten.
Ich vermisse Dich, bis bald.

Kuss
Jon

Silkes Brief ist von Richie. Sie hat das Zimmer am Ende vom Flur. Gemeinsam gehen wir es uns anschauen. Es ist ein riesiges Schlafzimmer mit einem extra großen Bett. Nebenan ist ein traumhaftes Bad mit Eckbadewanne und einer großen verglasten Dusche. Mit großen Augen bewundern wir das Zimmer. Ich springe in den zweiten Stock und schaue mir mein Schlafzimmer an. Es ist genauso groß wie Silkes. Mit Bad. Ich öffne die verschiedenen Schränke und entdecke zu meiner großen Freude ein paar Kleider und im Bad stehen Toilettenartikel. Es ist Jons Apartment.
Wir gehen auf Entdeckungsreise und schauen jedes Zimmer genau an und inspizieren die Schränke. Im Wohnzimmer ist ein Fernseher und eine hyper moderne Stereoanlage geschickt in dem Schrank integriert. Mit unseren Koffern gehen wir in unsere Zimmer und packen aus. Nach einer erfrischenden Dusche machen wir uns in der Küche Kaffee und setzten uns aufs Sofa und genießen die Ruhe. Ich stelle mich an das Panoramafenster und schaue mir New York von oben an.
Es gibt höhere Häuser um uns herum und ich kann nicht sonderlich viel erkennen. Lachend schaue ich auf die vielen gelben Taxis auf dem Boden. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich jetzt wirklich hier bin. So lange habe ich dem Augenblick entgegen gefiebert und muss mich erst mal zwicken. Ich glaube ich träume. Wir zappen durch die unglaublich vielen Fernsehprogramme und können uns nicht entscheiden was wir sehen wollen. Wir entschließen uns Musik zu hören und sitzen mit untergeschlagenen Füßen auf dem Sofa und unterhalten uns. Auf einmal ertönt ein „Pling“ und die Aufzugtüren öffnen sich.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo,
habe gerade deine Geschichte gelesen, ist sehr spannend, konnte kaum aufhören.
Bin schon sehr gespannt wie es weitergeht.
Liebe Grüße
Kira

Murmele hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Murmele hat gesagt…

Hallo Kira

danke schön. Ich finde es toll, dass die Geschichte jemand liest. Hab gar nicht dran geglaubt. Deine Geschichten kenne ich auch :-))

Dann muss ich doch glatt noch ein paar Teile posten. Im Word sind es mittlerweile 217 Seiten, aber ich komme gerade irgendwie nicht weiter.

lg