Freitag, 20. April 2007

Teil 7

Im Konferenzsaal angekommen, sind schon eine Menge Menschen da. Alles aber eher Roadcrew und Freunde, keine Promis. Wir nehmen an der aufgebauten Bar Platz und bestellen uns was zu trinken. Während wir unsere Gläser in Empfang nehmen, wird Silke die Augen zugehalten. Ich sehe, das es Richie ist und grinse ihn an und sage ihm wie toll ich heute sein Gitarrenspiel gefunden habe. Auf einmal ertönt es neben mir: „ und ich? Ich war heute nicht gut? Das muss ich ändern!!“
Jon steht hinter mir und sieht unverschämt gut aus. Er hat eine dunkelblaue Jeans an und ein schwarzes Lederhemd nicht unähnlich dem welches er heute Abend auf der Bühne getragen hat. Er legt ganz lässig seinen Arm um meine Schulter und nimmt mir mein Weinglas aus der Hand und probiert. Er scheint zufrieden zusein und bestell beim Ober genau den selben Wein wie ich. Die ganze Band hat sich um uns versammelt und unterhält sich. Ich genieße es und lehne meinen Kopf vorsichtig an seine Schulter. Das Hemd ist ganz weich und gut riechen tut er, lecker. Mit einem Blick durch den Raum bemerke ich, dass außer uns, nur noch eine Handvoll Frauen anwesend sind. Die kommen mir aber nicht bekannt vor. Ich frage in die Menge, wie es eigentlich passieren kann, das hier so wenig Frauen sind und so viele Männer.

Das Gelächter ist groß. Mir wird erklärt, das auf Tour wenig Frauen dabei sind. Und diejenigen, die dabei sind, gehören zur Crew und die sind meistens schon vergeben und mit einem der anderen Crewmitglieder verheiratet. Weiter wird mir erklärt, dass wenn es mehr Frauen wären, die eigenen Ehefrauen der Jungs ganz schön eifersüchtig wäre. Mit einem grinsen von Jon, während er den Arm von meiner Schulter nimmt, sagt er, dass sie es früher schon ganz wild getrieben haben, aber jetzt anständige Ehemänner und Väter sind.

Wir sitzen in geselliger Runde zusammen und lachen und scherzen miteinander. Ich werde müde und sage Silke bescheid das ich auf unser Zimmer gehe. Sie nickt und bedeutet das sie dann nachkommen wird. Ich verabschiede mich von allen und wünsche eine gute Nacht. Ich gehe aus dem Zimmer und drehe mich kurz vorher noch einmal um und sehe wie Jon seinen Kopf wieder wegdreht. Er hat mir nachgeschaut, denke ich und mache mich, innerlich Jubelsprünge ausführend, auf den Weg in unser Zimmer. Schlaflos liege ich im Bett und denke an das eben erlebte. Plötzlich schießt mir der Gedanke an meinen Freund durch den Kopf. „So ein Mist, was machst Du denn. Du hast doch deinen Michel, und du denkst an einen anderen“. Mit diesen Gedanken schlafe ich ein.
Zwei Stunden später kommt Silke ins Zimmer und versucht kein Geräusch zu machen um mich nicht zu Wecken. Ohne das ich etwas merke geht sie ins Bett.

Am nächsten Morgen bin ich schon um neun Uhr wach und kann nicht mehr schlafen. Da ich nicht mitbekommen habe, wann sie ins Bett gekommen ist, lass ich sie weiterschlafen und gehe ohne sie zum Frühstücken. Da mir aber da zu viel los ist, nehme ich mir eine große Tasse Kaffee und setzte mich vor das Hotel auf die Mauer und genieße die Sonne. Mit dem Gesicht zur Sonne und mit geschlossenen Augen hinter meiner Sonnenbrille sitze ich faul da. Plötzlich fällt ein Schatten auf mich. Ich mache die Augen auf und sehe jemanden vor mir stehen „Guten Morgen Tanja“. Ich erkenne Jon. Lächelnd frage ich ihn ob er mit seiner Joggingrunde schon fertig ist. Er setzt sich neben mich, total verschwitzt. Er antwortet, dass er seine Runde jetzt beendet hat. Er schaut in meine halbvolle Kaffeetasse und nimmt sie mir aus der Hand. Mit einem verschmitzten lächeln trinkt er meine Tasse zu ende. „Warum hast Du deinen Kaffee hier draußen und nicht im Frühstücksraum?“ „Weil mir da drinnen zu viel los war und ich keine Lust auf ein Gedrängel am Buffett habe. Deshalb hab ich es mir mit meiner Tasse hier draußen in der Sonne gemütlich gemacht.“
„Möchtest Du mit rauf kommen und bei uns Frühstücken? Da ist keiner außer uns und du kannst Dir alles in Ruhe aussuchen was Du möchtest und einen weiteren Kaffee trinken. Immerhin schulde ich dir ja einen“, sagt er mit einem Blick auf meine leere Tasse. Nach kurzem überlegen willige ich ein und wir gehen ins Hotel. An der Rezeption lasse ich mir einen Zettel geben und schreibe Silke eine kurze Nachricht:

Bin im 6. Stock beim frühstücken.
Komm doch auch rauf wenn Du fit bist.

Gruß Tanja

Nachdem ich bei Jon nachgefragt habe, ob es in Ordnung ginge wenn Silke später dazu kommt und er es nickend bestätigt hat, gebe ich der Dame ihren Stift zurück.
Im Aufzug sage ich zu Jon, "ich lege den Brief nur kurz ins Zimmer und ich gleich wieder da." Als der Aufzug in der 3. Etage stoppt, gehe ich zu unserem Zimmer und bin ganz verwundert, als Jon mir hinterher kommt. Vor der Zimmertüre deute ich ihm leise zu sein und gehe hinein und lege den Brief auf mein Kopfkissen. Ich gehe an den Schreibtisch und nehme mir mein Brillenetui. Da ich heute morgen zu faul war, muss ich jetzt als Brillenschlange rumlaufen. Jon schaut mich nur kurz an und sagt er geht kurz duschen und trifft sich dann mit mir beim frühstücken.

Als ich den sonnendurchfluteten Raum betrete, ist außer mir niemand da. Ich suche mir ein Platz am Fenster und hole mir nochmals einen Kaffee und eine Platte mit verschiedenen Früchten. Auf einmal klingelt mein Handy. Michel. Ich gehe ran und frage ihn, warum er denn so früh schon wach ist. Er erzählt mir, das sie heute ne kleine Inselrundfahrt machen wollen und da will er sein Handy nicht mitnehmen. Deshalb hat er es probiert, nachdem ich mich ja gestern Abend nicht mehr gemeldet hätte und am Vormittag so komisch gewesen sei. Ich versuche mein Verhalten damit zu erklären, dass ich gestern morgen einfach noch zu verschlafen war und gestern waren wir auf einer Party und haben mit anderen Fans noch einmal das Konzert erlebt. Nach ein paar weiteren Minuten beenden wir das Gespräch. Auf einmal höre ich wie jemand an den Tisch läuft. Es ist Jon mit seinem Frühstück. Er schaut mich kurz an und fängt an zu essen. Ich beginnen damit, meine Früchte zu essen, beschließe aber dann mir noch ein Joghurt und eine Brezel mit Nutella zu holen. Zurück an meinem Platz tausche ich meine Sonnenbrille gegen meine normale aus. Jon schaut mich ganz verdutzt an „da siehst du ja gleich ganz anders aus, so ungewohnt“. „Ich bin heute morgen nur noch zu faul gewesen meine Kontaktlinsen einzusetzen, deshalb muss ich mit der Brille heute rumlaufen. Ich hoffe es ist nicht zu schlimm“. Grinsend erwiderter er, „ist schon ok, das ist auch hübsch“. Ich bedanke mich und beende mein Frühstück.

Wir fangen eine Unterhaltung über den gestrigen Abend an, und Jon erzählt mir, dass Silke sich den restlichen Abend über mit Richie unterhalten hat und auch mit ihm die Feier verlassen hat. Erstaunt und geschockt schaue ich ihn an. „Mit Richie? Was haben die beiden denn noch gemacht? Er ist doch verheiratet:“ „Was er auf Tour macht, bleibt unter uns und wird nicht an andere Personen weitererzählt. Vor allem nicht an die Ehefrauen.“ Kopfschüttelt erwidere ich, dass das nicht so einfach ist. Da es ja auch irgendjemand anders mitbekommen kann. Jon sagt das es durchaus passieren kann, aber in der Regel hält da jeder den Mund. So eine Tour geht ja ziemlich lange und die Versuchungen sind in jeder Stadt vorhanden. Eine Frau ist hübscher als die andere und die werfen sich einem ja sprichwörtlich um den Hals. Da kann es schon passieren, das man die Vorsicht vergisst und sich auf einen One Night Stand einlässt. Wenn das im Voraus geklärt ist, gibt es mit den Mädels eigentlich keine Schwierigkeiten. Ich Frage Jon ob ihm das auch schon passiert ist und mir steigt eine leichte Röte ins Gesicht. Er fängt an zu lachen und meint nur, „ja klar aber das ist schon ewig her und ich bin Doro seit einigen Jahren treu. Besonders seit die Kinder auf der Welt sind.“

Ich lasse das Thema ruhen und Frage wo die anderen alle geblieben sind. „Die sind alle Spätaufsteher. Ich bin der einzige, der morgens zum Joggen geht und danach eigentlich noch zum Training. Das habe ich aber heute ausfallen lassen, da ich noch nicht so fit bin.“ Auf meine Frage, warum er nicht so fit sei bekomme ich zu hören, dass der Wein gestern auf der Party doch ein wenig zu viel war.

Wir werden von einem lauten Hallo von der Eingangtüre aus begrüßt. David und Hugh sind die nächsten bei unserem Frühstück. Nachdem die beiden mit ihren Tellern und Tassen bei uns am Tisch angelangt sind, wird die Unterhaltung ausgelassener. Ich verabschiede mich und gehe mit einer gefüllten Kanne Kaffee auf unser Zimmer, um Silke zu wecken und von ihr die ganze Geschichte mit Richie zu erfahren. Mit einer Tasse Kaffee vor der Nase wird Silke wach. Als sie nach der Uhrzeit fragt, sage ich nur das es Zeit zum aufstehen ist. Ich grinse sie an und will alles von gestern Abend erfahren.
Nach ein paar Schluck Kaffee fängt sie an:

Nach dem ich die Party verlassen hatte, hat sie sich noch sehr gut mit Richie unterhalten. Sie haben viel miteinander gelacht und getrunken. Die anderen seien an der Bar sitzen geblieben und er hat sich mit ihr in eine dunklere Ecke des Zimmers auf ein Sofa gesessen. Dort haben sie herumgealbert. Richie nahm sie dann in den Arm und hat mit ihr geflirtet. Ihr hat das sehr gut getan. Als sie dann auch ins Zimmer wollte, hat er sich angeboten sie zu begleiten. Auf dem Weg zu unserem Zimmer sind sie Händchenhaltend unterwegs gewesen. Im Aufzug hat Richie den Halteknopf gedrückt und angefangen sie zu küssen. Sie hatte lauter Schmetterlinge im Bauch und ganz weiche Beine, wie Wackelpudding. Als nach ein paar Minuten aus der Sprechanlage eine Stimme fragte ob alles in Ordnung sei, sind die wie zwei ertappte Teenager auseinander gefahren. Sie konnten sich als erstes gar nicht in die Augen schauen. Richie meinte es täte ihm Leid und das es gar nicht geplant gewesen sei. Er hat den Aufzug wieder fahren lassen und bis an die Zimmertüre begleitet. Dort hat er sie noch einmal heftig geküsst.

Ich kann es gar nicht glauben. „Wie fühlst Du dich jetzt?“ „Mir kommt das alles wie ein Traum vor. Ich kann es noch gar nicht glauben, dass Richie und ich uns geküsst haben.“
Sie fragt wie ich um die Zeit an einen Kaffee bekomme. Ich zeige ihr den Zettel, den ich ihr geschrieben habe und erzähle ihr in Kurzform von meiner Begegnung mit Jon vor dem Hotel und der Einladung zum Frühstück.
Ich kann es immer noch nicht glauben, das meine beste Freundin mit Richie rumgeknutscht hat. Das sage ich ihr auch auf den Kopf zu. Ich erzähle ihr von Jons Bemerkung über Groopies und dem Thema One Night Stand und dass das anscheinend ab und zu vorkommen kann und es innerhalb der Band bleibt. Was auf Tour geschieht geht niemanden was an. Silke kuschelt sich mit einem zufriedenden Lächeln in ihre Kissen. Ich Frage sie über den gestrigen Abend noch weiter aus. Sie schwebt auf Wolke 7. Und irgendwann lässt sie den Spruch fallen, zum Glück haben wir ein Doppelzimmer, wer weiß was sonst noch alles passiert wäre. Ich fange herzhaft an zu lachen und meine dann nur, sie soll tun was immer sie will. Ich würde es an ihrer Stelle genauso machen.

Nach dem duschen erzähle ich ihr von meinem Telefonat mit Michel und das ich ein schlechtes Gewissen haben, da ich ihm nichts von unseren Begegnungen mit der Band und vor allem mit Jon erzählt habe. Ich habe ja eigentlich nichts getan und dürfte kein schlechtes Gewissen haben. Aber ich denke immer öfter an Jon und nicht an meinen Freund und das nagt schon schwer an mir. Ich nehme mir vor, sobald die Tour zu Ende ist, mir mit Michel ein schönes Kuschelwochenende zu gönnen und nicht mehr an Jon zu denken. Er ist ja schließlich glücklich verheiratet. Was soll er dann mit einer 1,66 cm großen Blondine, die noch nicht einmal in Größe 38 reinpasst. Ich bin froh über diesen Gedanken und hoffe, das ich nicht anfange über verrückte Dinge nachzudenken, die eh nicht passieren.

Nach einer gemütlichen Runde am Pool und in der Sonne, machen wir uns fertig um Bremen unsicher zu machen. Wir fahren mit dem Taxi in die Innenstadt und suchen uns ein leckeres Restaurant. Nach einigem Suchen einigen wir uns auf einen Spanier. Bei einer Portion Paella spielen wir mit unseren verrückten Gedanken und malen uns aus, wie es denn wäre, wenn Silke und Richie ein Paar wären. Mit lauter erdachten witzigen Anekdoten kommen wir aus dem kichern nicht mehr raus. Nach einer Flasche Wein sind wir so richtig ausgelassen, als plötzlich mein Handy klingelt. Es ist Michel. Ich gehe ran und erzähle ihm was wir gerade machen und wo wir sind. Er teilt mir mit, dass ihr Ausflug ins Landesinnere auch sehr interessant war und sie jetzt dann in die Strandbar gehen werden, um den Mädels beim tanzen zuzusehen. Ich wünsche ihm viel Spaß und wir sehen uns ja in 10 Tagen wieder.

Meine Stimmung ist merklich getrübt durch das Telefonat. Wir nehmen uns ein Taxi und fahren ins Hotel zurück. Als wir an der Rezeption vorbei kommen, wird Silke ein Briefumschlag ausgehändigt. Mit folgender Nachricht:

Hallo Silky

Falls ihr Lust habt, kommt doch in den abgetrennten Bereich der Bar.
Wir können noch einen Gute Nacht Drink zusammen nehmen.

Gruß Richie

„Sollen wir noch an die Bar? Hast Du Lust?“
„Ja wegen mir können wir noch gehen, nur so lange nicht. Wir müssen doch morgen früh zum Flieger.“
„Sei kein Spielverderber und hab einfach Spaß. Vielleicht kannst Du ja wieder mit Jon tanzen,“ erwidert Silke mit einem Augenzwinkern.

Gemeinsam betreten wir die Bar und schauen uns suchend nach den Jungs am. Die Bar ist gut besucht. So wie es aussieht sind auch ein paar Fans anwesend. Der Barkeeper fragt uns nach unseren wünschen. Wir bestellen uns je ein Glas Wein und fragen ihn wo der abgetrennte Bereich der Bar sei. Bedauernd teilt er uns mit, das dort eine geschlossene Gesellschaft stattfindet und wir leider nicht hinein dürfen. Silke zieht den Brief von Richie aus der Hosentasche und zeigt ihn dem jungen Mann hinter der Theke. „Kann ich diesen Brief haben? Ich werde nachfragen ob es in Ordnung geht und komme dann wieder.“ Er nimmt den Brief und verschwindet durch eine Seitentür. Kurze Zeit später taucht er wieder auf und hat Richie im Schlepptau. Er kommt grinsend auf uns zu, nimmt uns beide in den Arm und geleitet uns ins Nebenzimmer. Mit einem Seitenblick auf den Barkeeper bittet er ihn, uns unsere Getränke zu bringen. Ich zucke entschuldigend die Schultern und dann stehen wir auf einmal in dem überfüllten Nebenzimmer. Vor lauter Menschen und Lärm versteht man die kleine Band, die im hinteren Teil des Raumes auf ihren Instrumenten spielt, kaum. Richie führt uns in eine Ecke des Raumes wo ein paar Zweisitzer Sofas in einer willkürlichen Anordnung stehen. Auf den insgesamt 5 Sofas haben sich ein paar der anderen Bandmitgliedern und der Crew breitgemacht. Richie zieht Silke mit zu seinem Platz und setzt sie einfach auf seinen Schoß. Ich mache es mir auf der Lehne eines anderen Sofas bequem. Der Barkeeper kommt mit unseren Getränken. Erleichtert etwas in der Hand zu haben, nippe ich an meinem Wein.

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